Wing Tjung / Wing Tsun

Was ist Wing Tjung?

Wing Tjung ist ein chinesischer Kung-Fu-Stil (im Westen oft als Kampfkunst bezeichnet).

Entstehung von Wing Tjung

Zur Entstehungsgeschichte des Wing Tjung existieren verschiedene Überlieferungen. Inwieweit diese den Tatsachen entsprechen, kann aufgrund fehlender wissenschaftlicher Belege nicht mehr überprüft werden. Es wurde über Hunderte von Jahren entwickelt und soll seine Wurzeln im berühmten Shaolin-Kloster haben. Dabei wird von einem südlichen Shaolin-Kloster berichtet, das im Gegensatz zum nördlichen Shaolin-Kloster heute nicht mehr existiert.

Eine andere Version besagt, dass sich einige sehr gute Kämpfer im alten China in einem Kloster in der „Halle des immerwährenden Frühlings" trafen und dort zusammen diesen Stil entwickelten.

Yip Man

Die meisten heute bekannten Varianten des Wing Tjung gehen auf den Kampfkünstler Yip Man (1893–1972) zurück. Er hatte im Laufe seines Lebens in Hongkong zahlreiche Schüler (u. a. Bruce Lee). Einen direkten Nachfolger ernannte Yip Man nicht, da er sich selbst nicht als Stilerbe sehen konnte. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass ein ungenau formulierter Zeitungsartikel Leung Ting (chinesisch 梁挺, Pinyin Liáng Tǐng) zum Oberhaupt der Yip-Man-Familie ernannte. Die heftigen Reaktionen älterer Yip-Man-Schüler wurden, obwohl Leung Ting umgehend auf die Richtigstellung dieser Falschmeldung drängte, später im Allgemeinen als Nachfolger-Streit bezeichnet.

Yip Man erlernte die bis dahin kaum bekannte Kampfkunst Wing Tjung von Chan Wah Shun (chinesisch 陳華順 / 陈华顺, Pinyin Chén Huáshùn) in der Stadt Lin Fa Dei. Spätere Lehrer Yip Mans waren Chans Schüler Ng Jung Su (chinesisch 吳仲素 / 吴仲素, Pinyin Wú Zhòngsù) und ein Sohn von Chans Lehrer mit Namen Leung Bik (chinesisch 梁壁, Pinyin Liáng Bì).


Prinzip und Technik

Prinzipien

Die hier aufgeführten Prinzipien (Kuen Kuits) stellen eine kleine, beispielhafte Auswahl dar, wie sie in unterschiedlichen Wing-Tjung-Stilen vorkommen können.

Nimm an, was kommt.

Folge dem, was geht.

Stoße vor, wenn der Weg frei ist.


Techniken

Ein typisches Element einiger Wing-Tjung-Stile ist der Kettenfauststoß. Ein geübter Wing Tjung-Kämpfer kann bis zu 8 Schläge pro Sekunde ausführen. Im Wing Tjung wird besonders auf die saubere Struktur des Schlages geachtet, um auch bei geringer Körperkraft wuchtvoll angreifen zu können. Je nach angegriffenem Körperteil und Intention des Kämpfers werden Fauststöße, Fingerstiche, Handkantenschläge oder Hammerfäuste bei Schlägen eingesetzt. Effektives Wing Tjung erreicht seine Stärke jedoch nur durch fließende und gesamtheitliche Durchführung des Kampfstils, wobei einzelne Schläge oder Schlagtechniken von untergeordneter Bedeutung sind.

Die Kraft des Gegners wird durch Schritttechniken wie Wendungen neutralisiert und gegen ihn verwendet (Gleichzeitigkeit von Angriff und Abwehr): Der Angriff ist die Verteidigung. Ein Schlag des Gegners wird so beispielsweise durch einen konternden Gegenschlag abgewehrt.

Der Stil ist weiterhin durch seine Trittarbeit charakterisiert, die nur sehr wenige Grundtritte umfasst und mit der im Allgemeinen nur niedrige Ziele bis etwa zur Höhe der Hüfte angegriffen werden. Ziele dieser Tritte sind insbesondere Kniegelenk, Oberschenkelansatz und Unterleib des Gegners. Bei manchen Techniken jedoch ist der Bauch des Gegners Ziel des Angriffs.



Formen

Die ersten Grundlagen des Wing Tjung werden zumeist in kurzen (San Sao) oder langen Formen erlernt und geübt. Formen sind festgelegte Abfolgen von Techniken, die jeder Schüler alleine durchführt. Die Formen des Wing Tjung sind (wie auch die japanischen Kata oder die Koreanischen Hyeong) wie ein „Notizbuch" zur Vermittlung von Theorien und Techniken zu verstehen und nicht als ein ritualisierter Kampf gegen imaginäre Gegner. Reihenfolge, Anzahl und Art der Formen ist in den verschiedenen Wing-Tjung-Familien oftmals sehr unterschiedlich. In einigen Wing-Tjung-Familien werden weniger als die nachstehend aufgeführten sechs bekanntesten Formen praktiziert, in anderen werden mehr oder gänzlich andere Formen unterrichtet.

Die bekanntesten Formen sind:

Siu nim tau / Siu Lim Tao (chinesisch 小念头, Pinyin xiǎo niàntou, „Grundidee","Kleine idee form", wört. "Kleine idee im kopf". In der Siu nim tao 3 Satz gibt es den sogenannten: Saam-Pai-Fut - „Dreimalige Verehrung Buddhas" - genannt): Es werden die grundlegenden Armtechniken isoliert für sich (Dan Chi) oder in einfachen Kombinationen geübt ("Chi sao" oder "Poon sao"). Beintechniken kommen hier in Form des stabilen Standes vor sowie Schritt und Wende Techniken darüber hinaus verfügt das System über sehr weitgefächerte Beintechniken wie z.B. das so genannte "Chi Gerk". Ein wichtiger Aspekt dieser Form ist die Haltung und das Verhältnis von Spannung und Entspannung. Weiterhin werden Grundprinzipien des Wing Tjung geschult, wie zum Beispiel die „Zentrallinientheorie", Krafterzeugung und richtige Atmung.[3] So enthält diese Form acht Sätze.

Chum Kiu / Cham Kiu (chinesisch 寻桥, Pinyin xún qiáo, „eine Brücke bauen"): Basistechniken mit ersten Fußtechniken. Hier werden verschiedene Techniken in Kombinationen geübt, insbesondere das Zusammenspiel von beiden Armen, Beintechniken und Schritttechniken.

Bju Tse / Biu Tze (chinesisch 标指, Pinyin biāo zhǐ, „Stoßende Finger"): Bisweilen als Notfall-Form bezeichnet, in der Techniken erlernt werden, um aus ungünstigen Kampfpositionen in aussichtsreiche zurückzugelangen.

Mok Jan Chong / Muk Yan Jong (chinesisch 木人桩法, Pinyin mùrénzhuāng fǎ, „Holzpuppe"): Dient als Ersatz für einen Trainingspartner und zum intensitätsorientierten Training. Bewegungen werden hier einstudiert und Fehler beseitigt.

Luk Dim Bun Guan / Luk Dim Ban Kwun (chinesisch 六点半棍法, Pinyin liù diǎn bàn gùn fǎ, „Langstock"): Ist die Form um ein besseres Verständniss für den eigenen Körper sowie den Körper des Gegners zu erlangen. Jeder Satz der Langstockform ist auf den Menschen/Gegner übertragbar. Des Weiteren trainiert es die sogenannte „Hüftkraft".

Pa Cham Dao / Bart Cham Dao (chinesisch 八斩刀, Pinyin bā zhǎn dāo, „Doppelkurzschwerter", „Doppelmesser" oder „Schmetterlingsmesser"): Die Doppelmesserform ist wie die Biu Tze eine Geheimform, sie wurde nur an die erfahrensten Schüler weitergegeben.

Dieser Artikel basiert auf einen Artikel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung (de)). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.